Klimawandel vor Ort – wir reagieren auf Hitze, Starkregen & Co
Der Klimawandel macht auch vor Mülheim an der Ruhr nicht halt: Hitzeperioden, Starkregen, veränderte Wasserhaushalte und Biodiversitätsverlust betreffen zunehmend unsere Stadt. Deshalb hat der Rat der Stadt am 13. Februar 2020 das „Konzept zur Anpassung an den Klimawandel für Mülheim an der Ruhr“ beschlossen. Das Klimaanpassungskonzept bietet einen klaren Handlungsrahmen, um Mülheim widerstandsfähiger zu gestalten. Gleichzeitig sind auch Sie als Bürger*innen, Unternehmen und Vereine gefragt, sich aktiv an der Umsetzung zu beteiligen und auch im eigenen Wirkungsbereich Schutzmaßnahmen umzusetzen.
Für die Erstellung des Klimaanpassungskonzeptes wurden Annahmen zum erwarteten Klimawandel in Mülheim an der Ruhr getroffen. Die Kernaussagen zum Klimawandel wurden aus regionalen Klimamodellen abgeleitet. Zudem hat der Deutsche Wetterdienst für das Stadtgebiet eine Klimaprognose erstellt. Die Prognosen gelten für die nahe (2021-2059)., mittlere (2041-2070) und ferne Zukunft (2071-2100). Die Analyse der projizierten klimatischen Änderungen in Mülheim an der Ruhr zeigt einen signifikanten Anstieg der Jahresmitteltemperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts:
Temperaturzunahme und Hitze : Zunahme der Jahresmitteltemperaturen | Mehr Sommertage und Tropennächte | Häufigere und länger andauernde Hitzeperioden | Abnahme von Frost- und Eistagen
Niederschlagsverschiebung und Trockenheit: Zunahme der Jahresniederschlagsmenge | Trockenere Sommer, feuchtere Winter | Längere Trockenperioden im Sommer | Abnahme der klimatischen Wasserbilanz im Sommer
Starkregen: Zunahme der Niederschlagsintensität | Tendenziell häufigere Starkregenereignisse
Wind und Sturm: Mindestens gleichbleibende Sturmaktivität
Vieles von dem, was für die nahe Zukunft prognostiziert war, ereignet sich schon heute und wird sich nach den Modellen entsprechend fortsetzen und verstärken.
Sturm ELA Juni 2014- Sturm Friederike 2018 - Hitzesommer 2018/2019 - Starkregen & Hochwasser Juli 2021 - Hitzewelle 2022 - Starkregen Juni 2023 - Im Februar / März 2025 ungewöhnliche Trockenheit bis hin zu schwerer Dürre - Extrem frühe Hitzewelle bereits zum Sommerstart 2025
Eine funktionale Betroffenheitsanalyse, die die Gegebenheiten vor Ort in Mülheim an der Ruhr einbezieht zeigte in welchen Handlungsbereichen die Betroffenheit durch die Folgen des Klimawandels am stärksten ist.
Menschliche Gesundheit
- Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels: Hitzebelastung, Auftreten neuer allergischer Reaktionen , Auftreten neuer Überträger von Krankheitserregern durch Verbreitung schädlicher Arten, Beeinflussung der Leistungsfähigkeit von Beschäftigten , Beeinträchtigungen von Tätigkeiten im Freien durch Extremwetter
- Sicherheit im Verkehr und bei Veranstaltungen
- Auswirkungen auf die Gesundheitsinfrastruktur: Belastung der Rettungsdienste, Krankenhäuser und Ärzte während Extremwetterereignissen
Natur und Stadtgrün
- Auswirkungen auf Ökosysteme, Habitate und Arten: Störung von Biotopen, Einschränkung von Ökosystemleistungen, Rückgang/ Aussterben bestimmter standortheimischer Arten, Veränderung/Verschiebung von Lebensräumen
- Auswirkungen auf die Forst- und Landwirtschaft
- Auswirkungen auf den Boden: Anstieg der Bodentemperatur, Verminderung der stadtklimatischen Kühlleistung von Böden
- Auswirkungen auf städtische Grünflächen, landwirtschaftliche Flächen und Wälder: Zunehmender Unterhaltungsbedarf von städtischen Grünflächen, Erhöhter Bewässerungsbedarf während Hitze- und Trockenperioden, Zunehmende Inanspruchnahme von Grünflächen durch wachsende Nachfrage, Schäden an Grünflächen, Bäumen und Vegetation, Schädlingsbefall an Pflanzen, Bäumen und Wäldern, Veränderte Anforderungen an die Artenzusammensetzung von Bäumen
- Erhöhte Wald- und Böschungsbrandgefahren bei Hitze und Trockenheit
Gewässer
- Grundwasser/Bodenwasserhaushalt: Veränderung des Bodenwassergehalts bzw. der Sickerwassermenge
- Abflussverhältnisse von Fließgewässern: Zunahme von Sturzfluten bei Starkregen
- Schäden an Oberflächengewässern: Schäden an Wasserbaulichen Anlagen
- Gewässerzustand: Gewässerbelastung durch Eintrag von Schadstoffen/Partikeln als Folgen von Überflutungen
Verkehr
- Verkehrsablauf und Logistik: Unterbrechung des Verkehrsablaufes auf Straßen und Schienen durch Extremwetterschäden
- Verkehrsinfrastruktur: Hitzeschäden z.B. Blow-ups, Straßenschäden durch häufigere Wechsel zwischen Frost- und Tauwettertagen, Überschwemmung und Unterspülung von Straßen- und Schieneninfrastrukturen
- Verkehrssicherheit: Unfallgefahr durch Hitzebelastung der Verkehrsteilnehmer
Gebäude
- Schäden an Gebäuden, Anlagen und zugehörigen Infrastrukturen: Schäden an Gebäuden durch Rückstau aus dem Kanal, Schäden an Gebäuden durch Starkregenabflüsse, Schäden an gewerblichen/Industriellen Anlagen, Produkten und Infrastrukturen durch Extremwetter
- Gebäudefunktionalität: Verschlechterung des Innenraumklimas durch Hitze, Veränderung der Produktions- und Arbeitszeiten in Gewerbegebäuden, Neue Kalkulationsgrundlage aufgrund von Kosten für die Klimatisierung, Erhöhter Kühlungsbedarf in Gebäuden
Ver- und Entsorgung
- Energiebedarf und -versorgung: Anstieg des Bedarfs an Kühlenergie im Sommer
- Wasserversorgung
- Entwässerungsinfrastruktur: Überlastung des Kanalnetzes bei Starkregen
- Energieinfrastruktur
- Energiegewinnung
Gesamtstrategie zur Klimaanpassung
Mülheims Strategie zur Klimaanpassung setzt gezielt auf ökologische Stadtgestaltung, Wasserbewirtschaftung im Sinne einer „Schwammstadt“ und umfassende Beteiligung der Bevölkerung. Entsiegelung, Regenrückhaltung, Begrünung und Kommunikation bilden die Kernelemente zur Schaffung einer anpassungsfähigen, klimafesten Stadt.
Auf der Grundlage der Klimaanalyse und der Betroffenheit wurden vier Leitziele definiert und beschlossen, an denen sich der Klimaanpassungsprozess ausrichten soll.
- Klimagerechte Sicherung der Gesundheit und Lebensqualität der Mülheimer Bevölkerung
- Erhalt und Förderung von Natur und Stadtgrün im Mülheimer Stadtgebiet
- Schutz der Mülheimer Gebäude und Infrastrukturen vor negativen Klimaeinflüssen
- Verstetigung der Klimaanpassung in der Mülheimer Stadtentwicklung
Aus der Vielzahl der gesammelten Maßnahmenoptionen wurden in einem intensiven Beteiligungsprozess die prioritären Maßnahmen ausgewählt, die für die Umsetzung des Anpassungskonzeptes als besonders zielführend angesehen werden und die aus Gründen der Dringlichkeit oder des Leuchtturmeffekts möglichst kurzfristig vorbereitet werden sollten. Die Liste umfasst zum Teil auch solche Maßnahmen, die bereits laufen und im Sinne der Klimaanpassung fortgeführt oder intensiviert werden sollen.
Handlungsstrategien und Schlüsselmaßnahmen
Klimafolgenwissen für Mülheim an der Ruhr erweitern- Viele Informationen über die Auswirkungen des Klimwandels im Stadtgebiet von Mülheim an der Ruhr liegen bereits vor. Es wird eine kontinuierliche Aktualisierung, Vertiefung und Erweiterung dieser Wissensbasis angestrebt. Das neue Wissen über Klimafolgen soll anschließend genutzt werden, um passgenaue und langfristig wirksame Anpassungsmaßnahmen zu erarbeiten.
Schlüsselmaßnahmen:
- Erstellung einer Starkregengefahrenkarte
- (Echtzeit-)Messungen von Klimaparametern
Starkregenrisiken in Mülheim an der Ruhr reduzieren- Ziel ist es, die Gefahren von Starkregen für Mülheim an der Ruhr zu analysieren und Maßnahmen zur Minderung der Risiken umzusetzen. Dabei sollen die Gefahren reduziert werden, die einerseits von den Gewässern ausgehen und denen sie andererseits selbst bei Starkregen ausgesetzt sind. Das Wissen aus der Starkregengefahrenkarte ermöglicht der Stadt und den Eigentümer*nnen von Grundstücken zielgerichtet bauliche Maßnahmen zum Wasserrückhalt und zum Schutz von gefährdeten Gebäuden und Infrastrukturen umzusetzen.
- Bachentflechtungskonzept zur hydraulischen Entlastung durch Abkopplung von Gewässern vom Kanal
- Verschärfung der Anforderungen zur Einleitung von Niederschlagswasser
Hitzefolgen in Mülheim an der Ruhr mindern - Die negativen Auswirkungen der Hitzezunahme sollen reduziert werden. Vor allem in besonders belasteten Stadtgebieten, in denen es beispielsweise wenig schattenspendende Bäume und kühlende Grünflächen gibt, soll durch bauliche und freiraumplanerische Maßnahmen die Temperaturen gesenkt und dadurch Gesundheit und Lebensqualität der Mülheimer Bevölkerung bei Hitzeereignissen aufrechterhalten werden.
Schlüsselmaßnahmen:
- Kühlungsstrategie öffentlicher Gebäude
- Verstärkte Berücksichtigung von Hitzeschutzmaßnahmen bei Neubauten von Konzern Stadt (Vorbildfunktion)
- Schaffung, Vernetzung und Aufwertung von Grünflächen in Defizitbereichen
Klimaanpassung in Planungs- und Genehmigungsprozessen integrieren - Es wird eine frühzeitige und konsequente Berücksichtigung der Belange der Klimaanpassung in Planungs- und Genehmigungsprozessen angestrebt. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass bei großen Bauvorhaben in der Planungsphase geprüft wird, welche Auswirkungen das jeweilige Vorhaben auf das Klima haben wird. Damit die Stadtverwaltung dies effektiv und transparent leisten kann, braucht es verwaltungsinterne Regeln, wie die Klimaanpassung im Arbeitsalltag zu berücksichtigen ist und wie dies in der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ämter gelingt.
Schlüsselmaßnahmen:
- Erarbeitung und Einführung eines Eckpunktepapiers zur Klimaanpassung
- Ergänzung örtlicher Satzungen um Anpassungsaspekte
Bürger*innen und Unternehmen zur Klimaanpassung aktivieren - Der erste Schritt dieser Handlungsstrategie ist es, die Öffentlichkeit in Mülheim an der Ruhr für die lokalen Folgen des Klimawandels sowie die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen zu sensibilisieren. Hierfür müssen Informationsangebote und relevante Daten für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Im zweiten Schritt sollen Beteiligungsangebote erarbeitet werden, bei denen sich alle, z.B. mit eigenen Maßnahmenvorschlägen, in den Anpassungsprozess einbringen können
Schlüsselmaßnahmen:
- Online-Beteiligungs-Plattform zur Klimaanpassung
- Klimaanpassungsgespräche mit Mülheimer Unternehmen
Reallabor klimaangepasstes Quartier in Mülheim an der Ruhr
Die Handlungsstrategien und die Schlüsselmaßnahmen des Mülheimer Anpassungskonzeptes ebnen den Weg für ein integriertes und kooperatives kommunales Klimafolgenmanagement der kommenden Jahre.
In einem „Reallabor Klimaanpassung Mülheim-Broich kann der Transfer der Schlüsselmaßnahmen auf die Ebene eines ganz konkreten Quartiers umgesetzt und evaluiert werden.