Jacques Marx, Ehrenbürger der Stadt Mülheim an der Ruhr, ist tot. Der Träger des Ehrenrings verstarb am 22. Oktober 2025 im Alter von 89 Jahren.
Anlässlich seines Todes hat Oberbürgermeister Marc Buchholz für den Tag der Beisetzung, Donnerstag, 30. Oktober 2025, Trauerbeflaggung am Rathausturm angeordnet.
Der Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr hatte am 25. Juni 2020 beschlossen, Jacques Marx zum Ehrenbürger zu ernennen. Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft fand am 3. September 2020 statt. Die Ehrenbürgerwürde ist eine herausragende und seltene Auszeichnung, die gleichzeitig die höchste Ehrung und die größte Wertschätzung bedeutet, die eine Stadt aussprechen kann.
Jacques Marx wurde 1936 als Sohn deutscher Juden im Exil in Paris geboren. Von 1942 bis 1944 mussten er und seine Familie sich vor mordenden SS-Einheiten in den Wäldern Mittel-Frankreichs verstecken. 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde er in Paris eingeschult. Sein Abitur machte er in Straßburg. Dort und in Freiburg studierte er anschließend Pharmazie. Beim Militärdienst in der französischen Besatzungszone war er Sekretär und Fahrer des Militärrabbiners.
Als er Mitte der 1960er Jahre durch seinen Beruf nach Gelsenkirchen kam, hatte er sich bereits aktiv in die Arbeit der dortigen Jüdischen Gemeinde eingebracht.
Als selbstständiger Apotheker ließ er sich 1967 in Mülheim an der Ruhr nieder. 1968 wählte die Mülheimer Gemeinde Jacques Marx zum Mitglied des Gemeinderats und 1973 - mit nur 36 Jahren – wurde er Vorsitzender der nun zusammengeschlossenen Dreiergemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen. Gerade einmal 80 Mitglieder zählte die Gemeinde damals. Neben den drei Ruhrgebietsstädten umfasste sie mit Wesel, Dinslaken, Voerde und Emmerich auch weite Teile des rechten Niederrheins. Die Lösung der logistischen Probleme, die sich daraus ergaben, waren Marx ein ebenso wichtiges Anliegen wie die Jugend- und Frauenarbeit in der Gemeinde und die Betreuung der wachsenden Zahl meist christlicher Besuchergruppen.
Seine Aktivitäten konzentrierten sich darauf, die wachsende Gemeinde aus dem Großbereich Niederrhein und Ruhr zusammenzuhalten und zu festigen. Dabei musste er, zumindest in den ersten Jahren, auch gegen die Skepsis und die Bedenken vieler Juden außerhalb Deutschlands ankämpfen. Trotzdem hat Jacques Marx unbeirrbar an seinem Ziel festgehalten: eine jüdische Gemeinde innerhalb Deutschlands aufzubauen.
37 Jahre lang, von 1973 bis 2010, wurde Marx in seinem Ehrenamt als Vorsitzender der Gemeinde immer wieder bestätigt. Damit war er dienstältester Vorstand einer jüdischen Gemeinde in Deutschland. Eine Gemeinde, die unter seinem Vorsitz von einer kleinen Gemeinschaft zu einer Großgemeinde mit zwischenzeitlich fast 3000 Mitgliedern gewachsen ist.
Knapp 20 Jahre nach seinem Amtsantritt taten sich durch den Zuzug von Juden aus der früheren UdSSR und deren Integration in die Gemeinde neue Herausforderungen auf. Zunächst musste ein hauptamtlicher Rabbiner gefunden werden, und im Herbst 1992 formulierte Marx erstmals öffentlich den Wunsch nach dem Bau einer neuen und größeren Synagoge. Fünf Jahre und viele Planungsgespräche später konnte der Grundstein in Duisburg gelegt werden. Es folgten das Richtfest 1998 und die Einweihung 1999.
Der Vorsitzende hatte Herausragendes geleistet, indem er die Finanzierung des Gemeindezentrums sicherstellte. Auch wenn bekannt ist, dass Marx mit der Gemeinde gerne in Mülheim geblieben wäre, so hat er in Duisburg doch ein wunderbares Domizil geschaffen und damit zugleich ein großartiges Beispiel interkommunalen Denkens geliefert. Das Entstehen des Gemeindezentrums in seiner heutigen Form und die Entwicklung eines überaus aktiven und vielfältigen Gemeindelebens sind seiner Tatkraft und seiner Entschlossenheit, seiner Beharrlichkeit und seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken.
Jahrzehntelang war es eines seiner wichtigsten Anliegen, Kinder und Jugendliche für jüdisches Leben zu gewinnen. So war die Einrichtung des jüdischen Kindergartens, der Kindern aller Konfessionen offensteht, ein Höhepunkt seiner ehrenamtlichen Arbeit. Das Wirken der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen hatte damit einen neuen und stark auf die Zukunft ausgerichteten Aspekt erhalten.
In Mülheim wurde dank seiner beharrlichen Bemühungen der Jüdische Friedhof an der Gracht wieder zu einem sehenswerten und historisch wertvollen Schmuckstück, ein Ort zum Innehalten und ein Ort, der einen würdigen Rahmen für Gedenkfeiern bietet.
Maßgeblich war auch sein Einsatz für die Umbenennung des „Viktoriaplatzes“ in „Synagogenplatz“, an dem bis zum 9. November 1938 die Mülheimer Synagoge stand.
Neben seiner Tätigkeit als Gemeindevorsitzender gehörte Jacques Marx viele Jahre lang dem Vorstand des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und dem Präsidium des Zentralrates der Juden in Deutschland an.
Er war im Vorstand der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und Mitbegründer der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Duisburg-Mülheim-Oberhausen.
Seine Verdienste um die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen und die Integration jüdischen Lebens in den Alltag unserer Städte sind von herausragender Bedeutung. Indem er stets den offenen Dialog und das Verbindende suchte, förderte er die interreligiöse Begegnung und die feste Verankerung der Gemeinde als Teil unserer Stadtgesellschaft. Mit der Öffnung der Synagoge auch für Christen und Muslime zeigte er vorbildlichen Einsatz für die Versöhnung zwischen Religionen und Menschen. Und mit seinem unermüdlichen Engagement für ein friedliches, offenes und tolerantes Miteinander hat Jaques Marx auf beispielhafte Weise dem Allgemeinwohl gedient.
Der Dank, der ihm für sein Wirken gebührte, wurde im Jahr 2010 mit der Verleihung der Ehrenringe der Städte Duisburg, Oberhausen und Mülheim an der Ruhr zum Ausdruck gebracht. In 2011 wurden er zudem mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
Bürgerschaft, Rat und Verwaltung der Stadt Mülheim an der Ruhr trauern um einen Mitbürger, der mit seinem unermüdlichen Engagement für ein friedliches, offenes und tolerantes Miteinander auf beispielhafte Weise dem Allgemeinwohl gedient hat. Rat und Verwaltung werden Jacques Marx ein zutiefst dankbares und ehrendes Andenken bewahren.